Saarlandbotschafterveranstaltung mit Dr. Wendelin Müller

Saarlandbotschafter Dr. Wendelin Müller stellte am 3. Mai 2012 in der SaarLB Saarbrücken die Ergebnisse einer Studie über die „Chancen und Risiken von globalen Trends für mittelständische Unternehmen“ vor.

Herr Werner Severin, stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes, begrüßt als Hausherr den Referenten und die Teilnehmer der Veranstaltung und erläutert einige Fakten zu der SaarLB.

Frau Nicole Paschke, Mitarbeiterin der SHS Foundation, begrüßt die Zuhörer und den Referenten Saarlandbotschafter Dr. Wendelin Müller, Partner der Unternehmensberatung Horn & Company.

Herr Dr. Wendelin Müller präsentiert die Ergebnisse des aktuellen Forschungsprojekts der Unternehmensberatung Horn & Company. Die Studie verdeutlicht, dass sich auch KMUs mit den Mega-Trends Globalisierung, Internet und demografischer Wandel auseinandersetzen müssen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, wo es bereits Best Practices gibt und was man daraus an Erkenntnissen heranziehen kann.

Um eine Trendanpassung vorzunehmen bieten sich für die KMUs zur Handlungsorientierung sechs Stellhebel operativer Anpassungen an:

(1)   Absatzorientierte Länderpräsenz,

(2)   Vertriebskanäle,

(3)   Endverbraucher,

(4)   E-Commerce und Internet,

(5)   Angebotenes Produktportfolio,

(6)   Unternehmenscharakteristika.

 

Hintergrund der notwendigen Anpassungen ist die Prognose, dass im Jahr 2022 die E7- und BRIC-Staaten die G7 in ihrer Wirtschaftsleistung überholt haben werden. Die derzeitigen Trends lauten Urbanisierung, Zunahme der Single-Haushalte, Verknappung von Ressourcen (Öl, Wasser) und die digitale Revolution.

 

Die folgenden Beispiele zeigen eine Anpassung von Firmen an die bestehenden Trends:

 

  • Die Firma Adidas versucht derzeit in einem Pilotprojekt in Hamburg, ihre Zweitmarke „Neo“, die speziell für die Schwellenländer entwickelt worden ist, auch in den Industrienationen zu etablieren. Es zeigt sich aber bereits, dass die Qualität der Ware nicht sehr hochwertig ist.
  • Die Deutsche Post positioniert sich aktuell als grüner Logistik-Anbieter.
  • Douglas verstärkt die integrierte Multi-Channel-Distribution, bei der beispielsweise online bestellte Ware im Geschäft abgeholt werden kann.
  • Fielmann plant zwar keine internationale Expansion, weitet sein Angebot im Zuge des demografischen Wandels jedoch auch auf Hörgeräte aus.
  • BMW ist operativ am weitesten bei der Ausrichtung auf die Trends und nutzt die sich daraus ergebenden Chancen in allen Bereichen.

 

Aus Sicht der KMUs werden die Mega-Trends überwiegend als Chance für die Unternehmen begriffen (50 %) und weniger als ein Risiko (16%). 35 % der befragten Top-Manager sind sich bei der Einordnung noch unsicher oder haben sich noch nicht mit den Themen auseinander gesetzt. 45 % der Befragten sehen sich gut aufgestellt in Hinblick auf die Trends im Vergleich zu 20 % der Probanden, die sich schlecht aufgestellt fühlen.

Bei der Trendanpassung nimmt der Mittelstand bisher noch eine abwartende Haltung ein und nimmt bisher zu wenig operative Anpassungsmaßnahmen vor. Die Mittelständler können folglich als „passive Optimisten“ charakterisiert werden. Auch bei der Chancennutzung existiert eine Lücke zwischen DAX- Unternehmen und KMU.

Ein weiteres Ergebnis der Studie verdeutlicht, dass sich profitable und weniger profitable Unternehmen vor allem in den operativen Maßnahmen im Bereich absatzorientierte Länderpräsenz unterscheiden. Insgesamt lassen sich jedoch bezogen auf die definierten Stellhebel keine deutlichen Abweichungen feststellen.

Anschließend erläutert Herr Dr. Müller anhand der genannten sechs Stellhebel für operative Anpassungen verschiedene Best-Practice Beispiele.

Beim Stellhebel absatzorientierte Länderpräsenz (1) zeigt sich, dass Asien und insbesondere China das eindeutige Expansionszentrum der Unternehmen ist. Insgesamt gibt es verschiedene, auch für KMUs leicht zu realisierende Handlungsoptionen für einen Markteintritt in den Zielländern, z.B. im Bereich Duty-Free oder mit einem länderspezifisch angepassten Online-Shop. Die Firma Krones als Best Practice hat die Länderpräsenz konsequent umgesetzt und ist in fast jedem Land der Erde vertreten.

Im Bereich Vertriebskanäle (2) planen die befragten Unternehmen, die Distribution durch vermehrte Point of Sale in internationalen Märkten auszuweiten. Die Firma Fissler ist als Best Practice mit eigenen Tochtergesellschaften und Vertriebspartnern in über 70 Ländern präsent.

Im Bereich Endverbraucher (3) zeigt sich, dass der demografische Wandel von vielen Unternehmen noch nicht stark berücksichtigt wird. Insbesondere in den Bereichen functional food, Nahrungsergänzung und Hautpflege bestehen für kleine innovative Unternehmen gute Chancen, diese Themen zu besetzen. Als Best Practice in diesem Bereich nennt Herr Dr. Müller den Direktvermarkter PM-International, der sich stak an Zielgruppenbedürfnissen und Konsumtrends orientiert.

Im Bereich E-Commerce und Internet (4) wird deutlich, dass die Onlineshops vieler Firmen aktuell noch wenig angepasst sind nach dem Motto „One size fits all“. Dabei bieten insbesondere Social Media Anwendungen die Möglichkeit, Innovationspartnerschaften einzugehen und den Kunden in den Produktentwicklungsprozess mit einzubeziehen. Als Best Practice gilt hier die Firma Braun, die Social Media Anwendungen zum effizienten Marketing für einen Kundenkreis aus den Schwellenländern einsetzt. In den BRIC-Ländern zählt Braun daher zu den beliebtesten deutschen Marken.

Im Bereich Produktportfolio (5) werden seitens der Firmen grüne Produkte, Ökologie und Nachhaltigkeit als zentrale Themen identifiziert. Bei den Themen Convenience und Verpackungsgröße (z.B. für Single Haushalte) halten sich die Unternehmen hingegen noch zurück. Als Best Practice zeigt die Firma Alnatura das Öko- und Bioprodukte über den Massen- / Discountmarkt erschlossen werden und nicht als Nischenanbieter.

Im Bereich Unternehmenscharakteristika (6) zeigt sich, dass die Themen Corporate Compliance / Corporate Social Responsibility allgemein noch unterschätzt werden und zukünftig stärker institutionalisiert werden müssen. Als Best Practice verdeutlicht die Firma Hipp, dass die ganzheitliche Ausrichtung des gesamten Unternehmens am Thema Umweltschutz auch auf den Markterfolg durchschlägt.

Insgesamt zieht Herr Dr. Müller das Fazit, dass die Trends seitens der Unternehmen erkannt sind und als Chance wahrgenommen werden. In der Umsetzung ist die Haltung bislang noch eher abwartend. Wichtig sei es für die Entscheider zu berücksichtigen, dass die beschriebenen Trends und Entwicklungen ein Faktum sind, welches auf die Unternehmen eine Wirkung ausüben wird.

Fragen:

  1. Ein Zuhörer fragt nach, wie die Einschätzung, ob ein Unternehmen profitabel ist oder nicht, stattfand.

Dr. Müller antwortet, dass die Unternehmen, denen es sehr gut geht und die profitabler sind als der Durchschnitt, die Daten zur Verfügung stellen. Aber da sich die Firmen selten in ihre Bücher schauen. lassen, ist man hier auch auf eine qualifizierte Selbsteinschätzung angewiesen. Diese kann -in den meisten Fällen nochmal über den Bundesanzeiger überprüft werden.

 

  1. Eine weitere Frage ist, welchen Stellenwert ein Unternehmensberater bei der Frage, ob man als Mittelständler ins Ausland gehen soll, zuzuordnen ist?

Die Rolle des Unternehmensberaters ist die Entscheidung abzusichern, Daten zur Verfügung zu stellen und zu klären, welche Länder für das Unternehmen überhaupt in Frage kommen. Es wird priorisiert und der operative Ablauf festgelegt.

Dabei setzt der Berater das Wissen der Marktforschung, seine Erfahrungen, Kenntnisse über die örtliche Vertriebs- und Einzelhandelsstruktur ein und stellt diese Informationen dem Unternehmen zur Verfügung. Auf Basis dieser Daten kann sich das Unternehmen für ein Land entscheiden.

Im zweiten Schritt wird geklärt, wie man das ganze angehen muss. Herr Dr. Müller erläutert, dass ein Unternehmen sich diesen Plan auch selbst erarbeiten kann, aber es dann letztendlich an Kenntnissen, Zeit und Ressourcen mangelt, um zu einer qualitativ hochwertigen Entscheidung zu kommen.

 

  1. Ein Teilnehmer hat den Eindruck, dass das mittlere Preissegment immer mehr verloren geht. Er fragt, ob hier eine Trendumkehr zu erkennen ist oder ob man das Firmenspezifisch betrachten muss.

Herr Dr. Müller verneint eine Trendumkehr. Er erklärt, dass, wenn man sich den Markt als Zwiebel vorstellt, die oberste Schicht das Luxussegment und die unterste das Billigsegment sind. Der Bereich zwischen diesen beiden Schichten stellt die große Mitte dar. Auch wenn diese langsam am schrumpfen ist, ist sie immer noch so groß, dass es sich für ein Unternehmen lohnt sich hier auf den Markt zu platzieren.

 

 

  1. Ein Zuhörer erläutert, dass man in den letzten ein bis zwei Jahren entscheidende Entwicklungen in Griechenland und Spanien miterlebt hat, Stichwort Schuldenkrise. Diese Entwicklungen haben dem Image der Länder bedeutende Schäden zugefügt. Man muss aber sehen, dass hier trotzdem ein großes Potential an hoch gebildeten Menschen vorhanden ist und nicht alle Griechen und Spanier durch die Bank durch faul sind. Es herrscht also ein enormes Ressourcenpotential direkt vor unserer Haustür. Warum gehen viele Mittelständler trotzdem nach China, anstatt sich innerhalb Europas aktiv ein kleines Geschäft aufzubauen?

Man muss zwei Seiten betrachten: Zum einen haben wir das Ressourcenpotential mit den qualitativ hochgebildeten Menschen und zum anderen das Nachfragepotential. Die hochgebildeten Leute sind fungibler und wandern eher als das Nachfragepotenzial. Momentan muss man aber auch den psychischen Aspekt sehen. Wenn man nach Griechenland oder Spanien schaut, würde man wahrscheinlich schon an der Finanzierung scheitern.

 

  1. In welchem Land hat der Mittelstand das Thema Globalisierung am besten umgesetzt und seine Chancen genutzt?

Nach Dr. Müller spielt Deutschland beim Thema Globalisierung ganze vorne mit. Viele mittelständische Firmen haben den Sprung ins Ausland gewagt und auch geschafft.

Da der deutsche Mittelstand hohe Leistungsfähigkeit, extreme Produktivität sowie schnelle Reaktion auf sich verändernde Markbedingungen vorweisen kann, gibt es wohl nirgendwo sonst so gute Ausgangsbedingungen als hier. Nach der letzten Wirtschaftskrise hat auch keine andere Volkswirtschaft ein so radikales Effizienzsteigerungsprogramm durchgeführt wie Deutschland.

 

  1. Warum gehen so wenige Mittelständler in die Türkei?

Die Türkei ist momentan zwar etwas in Vergessenheit geraten, aber vor zwei Jahren als die Diskussion über den Beitritt in die EU aktuell war, war allen Beteiligten klar, dass die Türkei eines der bevölkerungsreichsten Länder in Europa einmal sein wird. Außerdem hat die Türkei eine der größten Wirtschaftswachstumsraten  und ein enorm großes Potential. Vielleicht spielt aber auch ein überpolitisches Thema eine Rolle. Zum Beispiel, dass man sich auch fragen muss wie es mit der kulturellen Affinität der Menschen dort aussieht.

Hier gelangen Sie zu den Bildern und dem Video der Veranstaltung.