Saarlandbotschafterveranstaltung mit Dr. Johannes von Thadden

Am 22. März 2012 sprach Saarlandbotschafter Dr. Johannes von Thadden im DFKI an der Universität des Saarlandes zum Thema „Raumfahrt – Hightech für die Erde“. Lesen Sie hier den Bericht zur Veranstaltung.

Herr Michael Hartz, Vorstand der SHS Foundation, begrüßt die Zuhörer und den Referenten Saarlandbotschafter Dr. Johannes von Thadden.

Herr Reinhold Karger, Unternehmenssprecher des DFKI, stellt den Teilnehmern das DFKI in einem Grußwort vor. Das Institut ist an den Standorten Saarbrücken, Kaiserslautern, Bremen und Berlin aktiv und beschäftigt rund 750 Mitarbeiter. EADS Astrium ist Gesellschafter des DFKI, da der Bereich Robotik für die Raumfahrt besonders bei weit entfernten Missionen (z.B. Mars) eine entscheidende Rolle spielt. Bei diesen Entfernungen können Experimente für die Menschheit nicht von der Erde ferngesteuert werden, sondern müssen von intelligenten Robotern lokal ausgeführt werden.

In seinem Vortrag beschreibt Herr Dr. v. Thadden, wie die Raumfahrt das Leben der Menschen auf der Erde prägt und zeigt Verbindungen des Saarlandes zum Thema Raumfahrt.

Astrium ist Europas größtes Raumfahrtunternehmen mit rund 18.000 Mitarbeitern vor allem in Deutschland und Frankreich. Die Hightech-Branche stellt für Deutschland einen wesentlichen Wirtschaftsfaktor dar. Astrium beispielsweise generiert Umsatzwachstumsraten von durchschnittlich 10 % in den letzten Jahren. Ein bekanntes Produkt von Astrium ist die Trägerrakete Ariane, die in Deutschland und Frankreich gefertigt wird.

Ein Ziel der Weltraumforschung auf der Internationalen Raumstation ist es, den Weltraum für wissenschaftliche Forschung zu nutzen. Beispielsweise können dort Heilungsmöglichkeiten für Osteoporose besser erforscht werden, da Alterungsprozesse im Weltraum schneller ablaufen. Weiterhin dienen Experimente in der Schwerelosigkeit dazu, Vulkanismus und Tsunamis besser zu verstehen.

Insgesamt bedeutet ein vertieftes Verständnis für den Weltraum auch ein Verständnis dafür, was der Platz des Menschen im Universum ist. Insgesamt kennen die Menschen bislang nur 5 % des Universums. Die restlichen 95 % sind unbekannt, insbesondere die „dunkle Materie“ und die „dunkle Energie“. Der Suche nach dem Verständnis dienen z.B. Teleskope, die in der Lage sind, Licht vom Ursprung des Universums einzufangen, welches vor über 12 Mrd. Jahren ausgesandt wurde.

Die grundlegenden Fragen der Menschheit „Wer sind wir?“, „Woher kommen wir?“, „Wohin gehen wir?“ können mit der Weltraumforschung nicht beantwortet, aber bereichert werden. Diese Grundfragen dienen als Antrieb, sich mit der Weltraumforschung zu befassen.

Das erste Bild der Erde aus dem All entstand vor rund 50 Jahren und hat zu einem Bewusstseinswandel geführt, dass wir eine Verantwortung für unseren Himmelskörper besitzen. Auch Umweltbewegungen haben ihren emotionalen Ursprung in solchen Bildern.

Anschließend erläutert Herr Dr. v. Thadden, wie sich Hightech aus der Weltraumforschung für die Erde nutzen lässt. Er widerlegt den Mythos, dass die Teflonpfanne ihre Ursprünge in der Weltraumforschung hat. Der Akkuschrauber stellt allerdings tatsächlich Hightech aus dem Weltall dar, weil er ursprünglich für Außenarbeiten an der ISS konzipiert wurde. Live-Übertragungen von Fernsehereignissen und Handytelefonieren wären ohne Satellitentechnologie nicht möglich. Weiterhin spielen weltraumbasierte Technologien bei der Lenkung der weltweiten Finanzströme, bei der Abstimmung von Systemen zum Energietransport sowie bei Navigationssystemen auf der Erde eine Rolle. Das Navigationssystem Galileo wird aus Oberpfaffenhofen gesteuert und kann neben genauen Ortungen künftig auch ist in der Lage, die Geschwindigkeit von Objekten zu messen, um z.B. im Rahmen von für Verkehrsleitsysteme genutzt werden, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen.

Auch Wettervorhersagen über mehrere Tage mit hoher Verlässlichkeit lassen sich aufgrund weltraumbasierter Technik vornehmen, wobei Vorhersagen bis zu einer Woche inzwischen meistens richtig sind. Solche Vorhersagen dienen z.B. der Landwirtschaft, dem Flug- und Schiffsverkehr.

Die weltraumgestützte Beobachtung ermöglicht zudem einen neuen Blick auf die Erde. Die Erde lässt sich z.B. radargestützt dreidimensional komplett erfassen mit einer Genauigkeit von unter einem Höhenmeter. Auch Veränderungen im Millimeterbereich lassen sich so feststellen, was z.B. die Stadt Staufen im Breisgau nutzt, die sich aufgrund von Geothermiebohrungen hebt. Die Ausdehnung des Glasdaches des neuen Berliner Hauptbahnhofes werden ebenfalls aus dem Weltraum gemessen, um so frühe Warnhinweise auf kritische Situationen zu erhalten.

Weiterhin lassen sich Radarbeobachtungen bei jedem Wetter rund um die Uhr machen, was optische Kameras nicht können. Diese Daten können für die Erntebeobachtung oder zur Einsatzplanung nach Naturkatastrophen genutzt werden.

Auch im Bereich Umweltschutz lassen sich Daten teilweise leichter aus dem Weltraum beschaffen, z.B. werden Veränderungen des polaren Eises durch Satelliten gemessen. Auf diese Weise werden Messungen des Volumens unter der Oberfläche als ununterbrochene Zeitreihe möglich und nicht nur in Form von Stichproben. Auch illegale Rodungen des Regenwaldes lassen sich aus dem Weltraum besser beobachten. Illegaler Einschlag kann so zielgenau geortet werden. Auch lassen sich Wiederaufforstungsprogramme planen und kontrollieren.

Zusätzlich kann die Forschung zur Satellitentechnologie einen Teilbeitrag zur Lösung des Energieproblems auf der Erde leisten. Die Sonnensegel mit Solarzellen zur Energieerzeugung erreichen bei Satelliten einen Wirkungsgrad von 40 %. Bei Solarzellen auf Häusern beträgt der Wirkungsgrad bisher nur 15-18 %. Dieser Wirkungsgrad kann durch die Erkenntnisse aus der Weltraumfahrt erhöht werden.

Auch im Bereich von Windkraftanlagen kommen Materialien, die den starken Windkräften besser standhalten, inzwischen aus der Weltraumforschung und dem Weltraumeinsatz. Eine Zukunftsvision im Feld der Energieerzeugung besteht in dem Transport von Solarenergie mittels Reflektorsatelliten z.B. von der Sahara nach Nordeuropa.

Im Bereich Mobilität kommen manche Materialien für Autobremsen ursprünglich aus dem Weltall. Auch eine automatische Abstandsmessung für Hochgeschwindigkeitszüge nutzt Weltraumtechnik.

Die Robotik ist eine wichtige Innovation, wo Weltraumanwendungen und Nutzung auf der Erde Hand in Hand gehen. Auf der Erde werden Roboter bereits erfolgreich z.B. bei der Automobilproduktion und bei Operationen in Krankenhäusern eingesetzt. In der Weltraumfahrt werden Roboter benötigt, die beispielsweise für Marsmission selbständig Entscheidungen treffen können.

Die Beiträge des Saarlandes zur Raumfahrt kommen z.B. vom Fraunhofer Institut für zerstörungsfreie Prüfverfahren, vom DFKI oder der Saarschmiede in Dillingen, die Teile der Außentanks der Ariane-Trägerrakete herstellt. Diese Beiträge wurden im Rahmen der Initiative „Space Innovation Saar“ gemeinsam präsentiert.

Fragen:

Eine Teilnehmerin erkundigt sich, ob die Hightech Branche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im Saarland hat.

Herr Dr. v. Thadden antwortet, dass Hightech im Allgemeinen als zentraler Wachstumsfaktor für eine Region dient. Dabei werden nicht nur in der Branche selbst Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch durch die ansässige Zuliefererindustrie Multiplikatoreffekte erzielt.

Ein Teilnehmer erkundigt sich, warum es den USA vor allem in der Weltraumindustrie gelingt, wettbewerbsfähig zu sein.

Der Referent erwidert, dass in den USA viel mehr in die Raumfahrt investiert werde. Insgesamt sind die Investitionen siebenmal so hoch wie die europäischen Investitionen. Bei der bemannten Raumfahrt sind die Europäer heute nicht in der Lage, technologisch mitzuhalten. Im Bereich der Erdbeobachtung hingegen können sie mit den Amerikanern Schritt halten. Auch die Chinesen haben die Europäer im Bereich der bemannten Raumfahrt bereits überholt und in den anderen Bereichen eingeholt. Die Inder können bei der Qualität von Raketen ebenfalls mithalten.

Insgesamt herrscht in Europa ein hoher Wettbewerbsdruck in der gesamten Industrie, was sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft auswirkt. Weiterhin müssen die europäischen Unternehmen die Marktfähigkeit ihrer Entwicklungen sicherstellen, da die Regierungen deutlich weniger in die Technologien investieren.

Ein Zuhörer fragt nach, ob es neben den zivilen Projekten bei Astrium auch militärische Projekte gibt.

Herr Dr. v. Thadden bestätigt, dass es Schnittmengen zwischen zivilen und militärischen Projekten gibt, z.B. bei abhörsicheren Kommunikationstechnologien und beim Einsatz der Erdbeobachtungssatelliten bei der Bundeswehr. Waffen werden allerdings nicht produziert.

Weiterhin möchte der Teilnehmer wissen, ob der Weltraumschrott eine Gefahr für die bemannte Raumfahrt darstellt.

Der Referent bejaht die Frage. Derzeit bewegen sich über 800.000 Teile die größer als 1 cm2 sind um die Erde. Diese Objekte stellen in der Tat eine Gefahr für die bemannte Raumfahrt dar. Nur von 30.000 dieser Teile ist auch die Flugbahn bekannt. Die Europäer kennen sogar nur 3.000 Objekte.

Ein Zuhörer fragt nach, ob es eine „Verkehrsordnung“ in der Umlaufbahn gibt.

Herr Dr. v. Thadden bestätigt, dass bestimmte Regeln existieren. So muss jeder neue Satellit von einer UNO-Einrichtung genehmigt werden. Weiterhin sollten sich Weltraumbahnhöfe in Äquatornähe am Meer befinden und Starts in östliche Richtung erfolgen, um die Drehgeschwindigkeit der Erde ausnutzen zu können. Diese Qualitäten hat insbesondere der europäische Weltraumbahnhof in Kourou. Erdbeobachtungssatelliten fliegen meistpolar von Norden nach Süden. Telekommunikationssatelliten befinden sich geostationär im Orbit in einer Höhe von 30.000 km.

Ein Teilnehmer weist darauf hin, dass die Arbeitsplätze in der Hightech Branche vor allem Hochqualifizierte ansprechen. Besteht die Gefahr, dass Geringqualifizierte abgehängt werden?

Herr Dr. v. Thadden erwidert, dass Technologien Zeit benötigen, um einen arbeitsschaffenden Faktor zu realisieren. Er bestätigt, dass vor allem Arbeitsplätze für Hochqualifizierte geschaffen werden. Bei Astrium haben ¾ der Belegschaft eine akademische oder Facharbeiter-Ausbildung. Innerhalb der Wertschöpfungskette können allerdings zahlreiche weitere Arbeitsplätze entstehen.

Ein weiterer Teilnehmer erkundigt sich nach der Höhe und den Flugbahnen der Galileo Satelliten. Außerdem fragt er nach, welche Satelliten sich von der Erde aus erkennen lassen.

Der Referent antwortet, dass ein weltumspannendes Navigationssystem 30 Satelliten benötigt, die sich in einer Höhe von 28.000 km auf 3 Flugbahnen mit je 10 Satelliten befinden. Von der Erde aus lässt sich am besten die ISS erkennen. Die Positionen von Satelliten können mittlerweile auch mittels Smartphone-Apps genau lokalisiert werden.

Hier gelangen Sie zu dem Video und den Bildern des Vortrages.