Saarlandbotschafterveranstaltung mit Univ.- Prof. Dr. Joachim Zentes

Am 18. September 2012 hielt Univ.- Prof. Dr. Joachim Zentes im Europa Institut auf dem Campus Gelände der Universität Saarbrücken einen Vortrag im Rahmen der Saarlandbotschafterveranstaltungen zu dem Thema „People-Planet-Profit: Nachhaltigkeitsstrategien für saarländischen Industrie-, Handels-, und Dienstleistungsunternehmen“.

1. Herr Michael Hartz, Vorstand der SHS Foundation, begrüßt den Referenten Saarlandbotschafter Prof. Dr. Joachim Zentes, Direktor des Instituts für Handel und Internationales Marketing, und die Teilnehmer der Veranstaltung.

2. Herr Prof. Zentes erläutert zur Einführung einige Fakten zum Europa-Institut, Sektion Wirtschaftswissenschaft. Das Europa-Institut ist die älteste MBA School in Deutschland und hat als erste einen postgradualen Studiengang im Bereich der Wirtschaftswissenschaften angeboten. Bereits seit über 20 Jahren können die Studierenden hier einen MBA absolvieren. Der Studiengang wird full-time und part-time angeboten. Die Teilnehmer sind zu 50 % ausländische Studenten aus zahlreichen Ländern weltweit mit einem Schwerpunkt in Asien und Südamerika. In der n Sektion Rechtswissenschaft wird ein postgradualer Studiengang zum Europarecht angeboten.

Anschließend beginnt Herr Prof. Zentes seinen Vortrag. Das Thema Nachhaltigkeit ist von fulminater strategischer Bedeutung für Unternehmen jeglicher Branchen. An seinem Institut wurde das Thema aus drei verschiedenen Perspektiven mit empirischen Studien beleuchtet:

·         Studie 1 zum Thema Versorgungssicherheit mit Rohstoffen und Energie: „Genug für alle da? Wie gehen Händler und Konsumgüterhersteller mit Versorgungsrisiken um?“

·         Studie 2 zum Thema wie sich Extremereignisse auf die Versorgungssicherheit auswirken: „Extremereignisse – eine unkontrollierbare Gefahr? Risikominimierende Strategien für herstellende Unternehmen.“

·         Studie 3 zur Zusammenarbeit von Unternehmen mit Stakeholdern und NGOs: „Zwischen Konfrontation und Kooperation: Eine empirische Analyse der Rolle von NGOs aus Unternehmensperspektive.“

Zum Thema Zusammenspiel von Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (CSR) erläutert Herr Prof. Zentes, dass sich die Unternehmen immer stärker ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung bewusst werden. Ein Faktor ist dabei das „Corporate Citizenship“, welches lokales und regionales gesellschaftliches Engagement beinhaltet. Deutsche Unternehmen haben diese Geisteshaltung schon immer gelebt, wie die Beispiele Röchling, Krupp, Bosch zeigen. Ein weiterer Faktor sind die von der Cromme-Kommission entwickelten gesetzlichen Regelungen zur „Corporate Governance“. Der Fokus der Unternehmen müsse zukünftig auf deren sozialer („people“) und ökologischer („planet“) Verantwortung liegen unter Berücksichtigung der ökonomischen Verantwortung („profit“).

Soziale Verantwortung beinhaltet, dass die Verbraucher über die Produktherkunft informiert werden möchten. Künftig wird die Rückverfolgung ohne QR-Code möglich sein, indem der Kunde das entsprechende Produkt einfach mit seinem Smartphone abfotografiert. Mit der zunehmenden digitalen Vernetzung wird die Transparenz für die Verbraucher weiter steigen.

Bei Missachtung der sozialen und ökologischen Verantwortung können die resultierenden Boykottaufrufe von NGOs zu einer existenziellen Bedrohung für die Unternehmen werden. Da NGOs als Korrekturfaktor zunehmend an Bedeutung gewinnen und wichtiger als die Presse werden, besteht die Notwendigkeit einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen NGOs und Unternehmen.

Ein weiterer Aspekt der sozialen Verantwortung ist „Fair Trade“. Saarbrücken als „Fair Trade Stadt“ und die Universität des Saarlandes als „Fair Trade Universität“ haben den sozialen Anspruch, neue Lebensqualitäten in den Ursprungsländern der Produkte zu schaffen. Früher handelte sich sich hierbei mit den Dritte Welt Länden um einen Nischenmarkt. Heute ist Fair Trade im Mainstream bei den Discoutern angekommen und die Kunden sind bereit, die Differenz zu den herkömmlichen Produkten zu zahlen. Die Schweiz ist hier ein Vorreiter. Coop Schweiz  verkauft beispielsweise seit über 10 Jahren ausschließlich Fair-Trade-Bananen. Zu Beginn dieser Maßnahme handelte es sich dabei um eine „erzieherische“ Leistung des Handels unter Inkaufnahme von Umsatzeinbußen.

Zum Thema „Planet“ aus der Perspektive der Verbraucher merkt Herr Prof. Zentes an, dass sich die Verbraucher ihrer ökologischen Verantwortung bewusst werden. Die neueste Trendgruppe sind sogenannte „Locavoren“, die bevorzugt regionale Produkte innerhalb der jeweiligen Saison konsumieren. Das Bewusstsein für die CO2-Problematik bei der Gemüseherstellung führt zu einer Rückbesinnung auf Regionalität und Saisonalität. Mittelständische regionale Lieferanten können hiervon profitieren. Das Thema beinhaltet somit auch eine wirtschaftspolitische Komponente.

Die Renaissance des Regionalen manifestiert sich auch in interessanten Nischenmärkten wie dem „Urban Farming“, wo auf Großstadtdächern Gurken und Tomaten produziert und im Parterre desselben Gebäudes verkauft werden und so eine geringe CO2-Bilanz aufweisen.

Die Sicherstellung der Versorgungssicherheit bei gleichzeitiger Beachtung von sozialer und ökologischer Verantwortung stellt sich als große Herausforderung für die deutsche und europäische Wirtschaft dar. Vielen Unternehmen ist noch nicht bewusst, dass sie den Zugang zu agrarischen und industriellen Rohstoffen sicherstellen müssen.

Die Versorgungssicherheit wird von sechs Entwicklungstreibern und Störfaktoren beeinflusst.

1)      Spekulation mit Rohstoffen: Die Spekulation mit Lebensmitteln ist aus moralischer Sicht zukünftig nicht mehr haltbar.

2)      Bevölkerungs- und Wohlstandsentwicklung: China und Indien werden zunehmend konsumfähiger, was sich auch in ihrem Ernähungsverhalten widerspiegelt. Die Nachfrage nach Fleisch steigt in diesen Ländern an mit der Konsequenz, dass mit der Engpass-Situation die Rohstoffpreise auf den Weltmärkten ansteigen. Mit zunehmender Wohlstandsentwicklung steigt auch das Bedürfnis nach Individualmobilität, wodurch die Nachfrage nach Erdöl zunimmt.

3)      Extremereignisse wie Missernten und Dürreperioden, die mit den Klimawandel zusammenhängen, werden in Anzahl und Wirkung zunehmen und weitere Verknappungseffekte mit sich bringen. Neben den Naturkatastrophen spielen auch die „Man-Made“-Katastrophen wie Fukushima eine Rolle als Treiber der Versorgungssicherheit.

4)      Politische Entwicklungen in den Herkunftsländern beeinflussen ebenfalls die Versorgungssicherheit. Ein Beispiel ist die politische Instabilität der Maghreb-Länder im Zuge des arabischen Frühlings. Ihre Attraktivität als Obst-und Gemüselieferant für Europa nimmt dadurch ab.

5)      Nutzungskonkurrenz von Ackerflächen nach dem Motto „Teller oder Tank“: Lebensmittel wie Mais, Soja und Raps sind auch in der chemischen Industrie und bei der Bioenergierzeugung begehrt. 60% der Rapsproduktion in den USA fließen bereits in die Bioenergieerzeugung.

6)      Klimawandel/Wasserknappheit: Wasser wird die knappste Ressource sein, um die zukünftig auch Kriege geführt werden. Verschärft wird die Situation durch den steigenden Wasserbedarf bei der Nahrungsmittelproduktion, z.B. im Rahmen der Fleischerzeugung.

Anschließend erläutert Herr Prof. Zentes, wie sich Unternehmen den Zugang zu Rohstoffen sichern können. Hierbei existieren zwei Strategien:

Unternehmen können sich in der Produktion in vorgelagerte Stufen einschalten. Schokoladehersteller können beispielsweise eigene Kakaoplantagen betreiben oder Reifenhersteller eigene Kautschuk-Plantagen. Dies führt zu einer Neuausrichtung der Wertschöpfung bei den Unternehmen. Die Thematik ist bereits von den Unternehmen auf eine gesamtnationale Ebene übergegangen, was die von einigen Ländern praktizierte Strategie des „World Land Grabbing“ zeigt. Hiermit ist die nationale Ressourcensicherung durch langfristige Kontrakte oder Akquisitionen gemeint, die insbesondere asiatische und arabische Länder zurzeit betreiben. Beispielsweise ist bereits die gesamte Ackerfläche Madagaskars an andere Länder verkauft. Dieses egoistische Vorgehen birgt die Gefahr sozialer Unruhen und geht zulasten der Bevölkerung in den ärmeren Ländern.

Deutsche Unternehmen verfolgen eher eine zweite kooperative Strategie, indem sie sich für den Aufbau von langfristigen Partnerschaften engagieren. Die Unternehmen versuchen dabei Zugang zu den Rohstoffen zu verbinden mit ihrer sozialen Verantwortung in den Herkunftsländern. Durch die partnerschaftlichen Lösungen entstehen Win-Win Situationen. Unternehmen können beispielsweise moderne Produktionsmethoden in der Landwirtschaft exportieren oder Investitionssicherheit schaffen durch langfristige Verträge. Dadurch erhöht sich die Lebensqualität der Bevölkerung vor Ort. Die Schweiz ist auch bei der partnerschaftlichen Vorgehensweise Vorreiter. So hat sich Coop den Zugang zu Biobaumwolle, einem Markt extremer Knappheiten, durch den Eingang von Partnerschaften gesichert.

Das Thema neuartiger Allianzen wird auch für den Mittelstand an Bedeutung gewinnen.

3. Fragen:

Ein Zuhörer fragt nach, inwieweit sich Wachstum mit Nachhaltigkeit verträgt. Kann eine Wirtschaft auch gesund sein, die nur auf Nachhaltigkeit und nicht auf Wachstum setzt?

Herr Prof. Zentes antwortet, dass es sich hierbei nicht um Gegensätze handelt und wirtschaftliches Wachstum sich nicht zwangsläufig negativ auf die Nachhaltigkeit auswirkt. Es existieren noch enorme Potenziale zur CO2-Verringerung, Reserven des technologischen Fortschritts, Steigerung der Produktivität der Agrarflächen, Verringerung der Verschwendung von Lebensmitteln, Urban Farming, Urban Mining (Verwertung von Reststoffen), grüne Gentechnik, weiße Gentechnik, alternative Energien wie Geothermie, etc.

Wir befinden uns folglich nicht an der Grenze des Wachstums, sondern können bei gleichzeitiger Berücksichtigung von sozialer und ökologischer Verantwortung weiter wachsen. Unabhängig von Wachstumsphilosophien sind sich viele Unternehmen der Tragweite der zunehmend schwieriger werdenden Rohstoffversorgung noch nicht bewusst. Deutschland ist spät gestartet, was die Problematik der Versorgungssicherheit betrifft.

Ein weiterer Teilnehmer merkt an, dass sich in der Vergangenheit Industrien immer dort ansiedelten, wo sich die Rohstoffe befanden. Kann das zu der Verlegung von Produktionsstandorten aus Deutschland heraus führen?

Herr Prof. Zentes erläutert, dass es zukünftig wichtig sei, die ökologische Bilanz der Produkte und Transportwege zu beachten. Es gebe folglich keinen Automatismus, dass sich die Industrien immer in der Nähe der Rohstoffe ansiedeln müssen. Allerdings sei es sinnvoll, Produktionsstandorte in Wachstumsmärkten zu errichten.

Ein Zuhörer fragt nach, ob es auch saarländische Kooperationen mit nachhaltigem Charakter gibt nach dem Vorbild der „Allianz zur Rohstoffsicherheit“.

Herr Prof. Zentes merkt an, dass die Bundesregierung versucht, das wirtschaftspolitische Thema der Versorgungssicherheit in die Wirtschaftsministerien und Kommunen der Länder zu transportieren. Ebenso gibt es auch Impulse aus dem Verbraucherministerium. Er sieht es als eine Aufgabe der Saarlandbotschafter an, dass dieses Thema für die Region aufgegriffen wird.

Ein Zuhörer fragt nach, ob es von den Ländern nicht leichtsinnig und perspektivisch falsch sei, ihre Agrarflächen an andere Länder zu verkaufen.

Herr Prof. Zentes bestätigt dies und ergänzt, dass es auch aus moralischer Sicht fragwürdig sei. Zukünftig werden sich Kriege um Wasser und Agrarflächen entzünden. Aus diesem Grund ist der Weg des „Land Grabbing“ in den Herkunftsländern falsch, man sollte besser die Lösung der langfristigen Partnerschaften anstreben.

Hier geht es zu den Bildern der Veranstaltung und hier zum Video.