Saarlandbotschafterveranstaltung mit Roland Weber

Am 06.September 2012 hielt Roland Weber einen Vortrag zum Thema „Chancen nutzen – die Zukunft des Gesundheitswesens“ im Atrium Haus der Wirtschaftsförderung in Saarbrücken. Lesen Sie hierzu den Bericht.

Herr Michael Hartz, Vorstand der SHS Foundation, begrüßt den Referenten Saarlandbotschafter Roland Weber, Mitglied der Vorstände der Debeka Versicherungsgruppe, und die Teilnehmer der Veranstaltung.

Herr Roland Weber stellt sich und sein Unternehmen vor und erläutert, dass die Frage nach einer Einheitskasse bzw. Bürgerversicherung als Konvergenz der Systeme bereits seit Ende der 40er Jahre diskutiert wird.

Jeder 4. Privatversicherte ist Mitglied der Debeka. Die gesamte Versicherungsgruppe konnte ihren Marktanteil in den letzten 20 Jahren von 2 % auf 5 % steigern. Die saarländische Landesgeschäftsstelle ist die erfolgreichste und hat über 500 Mitarbeiter. Die Debeka macht keine Werbung, verfügt aber über zahlreiche Auszeichnungen und Ratings.

Herr Weber gliedert seinen Vortrag in die Bereiche
–          Herausforderungen der demografischen Entwicklung
–          Finanzierungsfragen
–          Versorgungslücken
–          Chancen nutzen

Hinsichtlich der demografischen Entwicklung erläutert er, dass der Jahrgang 1964 mit 1,4 Mio. Geburten der stärkste in der Geschichte Deutschlands ist. Heute werden im Vergleich in Deutschland weniger als 700.000 Menschen pro Jahr geboren. In 20 Jahren werden die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und Leistungen aus der Versicherung erwarten.

Seit 2007 ist die Zahl der über 65-Jährigen größer als die Zahl der unter 20-Jährigen. Auch die Zahl der über 90-Jährigen steigt.

Weltweit gesehen haben Deutschland, Japan und Italien den höchsten Altersquotient. Die Schweiz und die Niederlande haben im Vergleich eine deutlich jüngere Gesellschaft mit entsprechend geringerem Druck auf die Sozialsysteme.

Die Lebenserwartung nimmt überall zu. In den letzten 50 Jahren erhöhte sie sich in Deutschland durchschnittlich um 11 Jahre. Zum Theme Finanzierung zeigt Herr Weber den Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP für verschiedene Länder.

Im internationalen Vergleich haben die USA mit 17 % den größten Anteil. Deutschland liegt auf Platz 3 mit 11,6 %. Der OECD Durchschnitt beträgt 9,6 %.

Norwegen verfügt über ein sehr stabiles Gesundheitssystem, weil es die Einnahmen aus der Ölförderung in einen Sozialfonds eingezahlt hat.

Betrachtet man die Gesundheitsausgaben pro Kopf im Verhältnis zum Altersaufbau wird deutlich, dass mehr als die Hälfte der Industrienationen ein teureres System hat als Deutschland.

Bei der durchschnittlichen Wachstumsrate der Ausgaben liegt Deutschland bei moderaten 2 %

Als Fazit hält Herr Weber fest, dass eine grundsätzliche Reform des Gesundheitswesens aufgrund der Kosten nicht notwendig sei, da sich diese im internationalen Vergleich in einer akzeptablen Höhe bewegen. Das zweigeteilte Gesundheitswesen hat sich in Deutschland historisch entwickelt und ist in dieser Form weltweit einmalig. Es hat dazu geführt, dass die gesetzlichen Kassen leistungsstärker als in anderen Ländern sind.

Zur Beitragskalkulation bei den privaten Krankenversicherungen erklärt Herr Weber, dass junge Menschen zunächst mehr Beiträge entrichten als sie an Kosten verursachen. Im Alter kehrt sich dieses Verhältbnis um. Durch erwirtschaftete Überschüsse kann die Debeka die Beiträge für ältere Versicherte subventionieren und so übermäßige Beitragssteigerungen vermeiden.

Zum Umlageverfahren der gesetzlichen Kassen merkt Herr Weber an, dass die zunehmende Spreizung zwischen Einnahmen und Leistungsausgaben finanziert werden muss durch Beitragserhöhungen, Steuerzuschüsse oder Leistungskürzungen.

Zu der öffentlich verbreiteten Aussage, dass immer mehr Menschen von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln, erläuert Herr Weber, dass diese Aussage falsch sei. Die tatsächlichen Wanderbewegungen finden von den gesetzlichen in die privaten Kassen statt.

Als wesentliche Zukunftsthemen für das deutsche Gesundheitssystem haben sich die steigende Kostenentwicklung und die mögliche Versorgungslücke beim Zugang zu medizinischer Betreuung erwiesen.

Zum Thema Finanzierungsfragen verdeutlicht Herr Weber, dass die Modelle anderer Länder wie Holland und die Schweiz nicht als Lösungsmodell für Deutschland herangezogen werden können, auch wenn es Gesundheitspolitiker gibt, die diesen Ansatz vertreten.

In der Schweiz gibt es für alle eine obligatorische Versicherung. Sie enthält keinen Arbeitgeberanteil, keinen Zahnersatz und kein Krankengeld. Aufgrund eines anderen Verständnisses von Eigenverantwortung muss der Versicherte zusätzlich eine erhebliche Eigenbeteiligung an den Kosten leisten. Hier zeigt sich, dass ein einheitliches System nicht besser sein muss, da es gleichzeitig teurer und weniger leistungsfähig ist als das deutsche System.

In Holland existiert ebenfalls eine einheitliche Basisversicherung. Es gibt allerdings nur 29 Anbieter auf dem Markt, von denen 20 zu vier großen Konzernen zusammengeschlossen sind. Der geringe Wettbewerb geht zu Lasten der Versicherten. Das holländische System ist nicht günstiger als das deutsche, die Kosten steigen stärker und der Leistungskatalog ist stark eingeschränkt (kein Zahnersatz, kein Krankengeld).

Zum Thema Versorgung und Ärztemangel merkt Herr Weber an, dass es vor allem auf dem Land immer weniger niedergelassene Ärzte gibt. Eine Lösung wären hier medizinische Versorgungszentren mit angestellten Ärzten. Die Ärztekammern stellen jedoch weiterhin die Freiberuflichkeit der niedergelassenen Ärzte in den Fokus.

Im internationalen Vergleich kommen in Deutschland auf 1.000 Einwohner 3,6 Ärzte. Im OECD Durchschnitt sind es 3,1. Die Zahl der Ärzte sagt nichts über deren Arbeitszeit aus, da aufgrund der zunehmenden Feminisierung des Medizinstudiums immer mehr Ärzte als Angestellte mit fester  Arbeitszeit oder in Teilzeit arbeiten.

Zum Zugang im ländlichen Raum erläutert Herr Weber, dass zukünftig die Anfahrtwege weiter werden. Lösungen wie die Flying Doctors in Australien oder Tel Lappi (Telemedizinische Dienste für Lappland) in Finnland werden im dichtbesiedelten Deutschland jedoch nicht gebraucht. In Sachsen wird das Konzept der Gemeindeschwestern zur medizinischen Grundversorgung getestet.

Auch bei den Wartezeiten auf eine Facharztbehandlung steht Deutschland gut da. So müssen die gestezlich Versicherten in Deutschland durchschnittlich 28 Tage auf eine Hüftoperation warten, die privat Versicherten 19 Tage. In England beträgt die Wartezeit für die Versicherten im National Health Service 180 Tage und für Personen mit einer privaten Versicherung 20 Tage. Dies führt dazu, dass bereits 30 % der Engländer die Kosten für diese Operation selbst tragen (ca. 10.000 £), um einen früheren Termin zu erhalten. Das Resultat ist eine Zwei-Klassen-Medizin, innerhalb deren bereits 10 % der Briten eine volle private Versicherung haben neben der ksotenlosen NHS. Manche Operationen werden in Großbritannien mittlerweile nur noch nach Abwägung des Alters und der wirtschaftlichen Leistungsstärke des Patienten durchgeführt. Das englische System hat somit keine Vorbildfunktion für Deutschland.

Als Fazit hält Herr Weber fest, dass das deutsche System im internationalen Vergleich die höchsten Leistungen bei einem durchschnittlichen Preis ermöglicht. Die Dualiät der Systeme hat das Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenkasse auf hohem Niveau gehalten. Ohne die privaten Kassen droht in Deutschland das gleiche Versorgungsniveau wie in England. Selbst einige Metropolen in China erwägen die Einführung eines zweigliedrigen Systems nach deutschem Vorbild.

Umfragen haben zudem gezeigt, dass die Menschen einer Veränderung des zweigliedrigen Systems in Deutschland skeptisch gegenüberstehen und das bestehende deutsche System für besser halten als die Systeme anderer Länder.

3. Fragen

Ein Teilnehmer fragt, warum in Deutschland nicht ausschließlich eine private Krankenversicherung eingeführt wird. Außerdem erkundigt er sich nach dem Erfolg der Praxisgebühr und fragt, wie sich die medizintechnische Entwicklung auf die Kosten auswirkt.

Herr Weber antwortet, dass er ein Anhänger des dualen Systems ist. In einem rein privaten System müssen Menschen, die sich einen risikoadäquaten Leistungsschutz nicht leisten können, staatlich subventioniert werden, womit man wieder bei der gesetzlichen Krankenversicherung wäre.

Zur Praxisgebühr merkt er an, dass diese nicht funktioniert habe. Eine Lösung um häufige Arztbesuche zu reduzieren, wäre eine prozentuale Selbstbeteiligung, die allerdings zum jetzigen Zeitpunkt nicht durchsetzbar ist.

Zum dritten Punkt erläutert er, dass die medizintechnische Entwicklung für weitere Kostensteigerungen sorgt. In einigen Bereichen haben sich die Hoffnungen auch noch nicht erfüllt, z.B. in Stammzellentherapie. Herr Weber plädiert daher für eine neue Gebührenordnung, in der die sprechende Medizin höher honoriert wird als die technische Medizin.

Ein weiterer Teilnehmer weist darauf hin, dass Prof. Beske bei einem Vortrag im Saarland zur demografischen Entwicklung prognostiziert hat, dass die Bevölkerung um 7 % schrumpfen wird. Demgegenüber steht ein Rückgang von Ärzten und Fachärzten in Höhe von 40 %. Außerdem sei das Volumen der ambulanten Arbeit gestiegen.

Herr Weber merkt an, dass das angesprochene Problem der demografischen Entwicklung antizipiert werden müsse. Zum einen müssen die Ärzte besser honoriert werden. Zum anderen muss man die Möglichkeiten der Telemedizin ausschöpfen, um chronisch kranken Patienten unnötige Arztbesuche zu ersparen. Hier gebe es aber noch starke Vorbehalte bei der Ärzteschaft.

Ein Zuhörer fragt nach, wie es sich mit dem Thema Altersarmut und Personen ohne kontinuierliche Erwerbsbiografie verhält. Droht der Kollaps der privaten Krankenversicherung, wenn zukünftig Mitglieder ihre Beiträge nicht mehr zahlen können?

Der Referent antwortet, dass das Problem der Nichtzahlerproblematik vor allem Selbständige betreffen kann. Als Lösung wird ihnen angeboten, aus dem teureren Komforttarif in einen günstigeren Standardtarif zu wechseln.

Ein Teilnehmer weist darauf hin, dass sich private Krankenkassen im Gegensatz zu den gesetzlichen ihre Mitglieder aussuchen können, um so eine bessere Finanzierbarkeit der Leistungen zu erreichen.

Herr Weber merkt an, dass die sogenannte „Rosinenpickerei“ ein Angriffspunkt auf die private Krankenversicherung sei, der allerdings nicht auf alle Berufsgruppen zutreffe. Für Beamte gebe es beispielsweise seit 25 Jahren eine Öffnungsklausel. Sollte zukünftig ein Beitritt ohne Gesundheitsprüfung für alle Berufsgruppen möglich sein, kämen allerdings generell nur objektiv definierte Zeitpunkten dafür in Betracht.

Eine Zuhörerin bestätigt die von Herrn Weber im Vortrag geäußerte Bemerkung, dass der Ärztemangel unter anderem auf die Feminisierung des Arztberufes und der damit verbundenen geringeren Arbeitszeiten zurückzuführen sei. Die Abwanderung ins Ausland sei hingegen kein Problem mehr. Sie plädiert für eine politische Lösung, damit von den jährlich 40.000 Interessenten für ein Medizinstudium mehr als 10.000 Studierende zugelassen werden können.

Die Bilder zu dieser Veranstaltung finden Sie hier . Das Video wird nachgereicht.