Saarlandbotschafterveranstaltung mit Prof. Dr. Lars Feld

Am 22. Januar 2014 hielt Prof. Dr. Lars Feld einen Vortrag in der Bundesbank Filiale Saarbrücken im Rahmen der exklusiven Saarlandbotschafterveranstaltungen.

Er sprach zum Thema „Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik“

Protokoll

Saarlandbotschafterveranstaltung mit Prof. Dr. Lars Feld

„Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik“, 22.01.2014, Deutsche Bundesbank Saarbrücken

  1. Herr Karl-Heinz Thiel, Filialleiter der Bundesbank Saarbrücken, begrüßt die Teilnehmer in seinem Hause und lädt sie ein, sich im Anschluss an die Veranstaltung die Ausstellung „Das neue Gesicht des Euro“ anzusehen, die in den Räumen der Bundesbank gastiert und im Rahmen derer die neue 10 € Banknote präsentiert wird.

 

  1. Herr Michael Hartz, Vorstand der SHS Foundation, begrüßt die Teilnehmer der Veranstaltung und den Referenten Saarlandbotschafter Prof. Dr. Lars Feld, Leiter des Walter Eucken Instituts, Professor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

 

  1. Herr Uwe Kuntz, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Saarbrücken und Präsident des Wirtschaftsclubs Saar-Pfalz-Moselle, begrüßt ebenfalls die Zuhörer. Er hebt besonders hervor, dass Herr Prof. Feld als Sieger im F.A.Z. Ökonomen-Ranking 2013 hervorgegangen ist und damit als einflussreichster Ökonom der Republik gilt.

 

  1. Herr Prof. Feld erläutert, dass das diesjährige Jahresgutachten 2013/14 den Titel „Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik“ trägt und er diesen Titel auch für seinen Vortrag als Saarlandbotschafter gewählt hat. Zunächst zeigt er anhand der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes in Deutschland, dass es in den 5 Jahren seit der Krise ein beachtliches Wirtschaftswachstum gegeben hat. In 2013 hat sich das Wachstum des BIP jedoch auf 0,4 % verlangsamt, insbesondere weil die Investoren verunsichert waren. Für 2014 wird eine konjunkturelle Aufhellung mit einem Wachstum von 1,6 % erwartet, welches somit deutlich höher als in den vergangenen beiden Jahren ausfällt. Der Hauptimpuls für dieses vermehrte Wachstum kommt mit 6,2 % von den Investitionen, insbesondere den Ausrüstungsinvestitionen, die viele Unternehmen in den letzten zwei Jahren zurückgestellt haben und nun nachholen. Ein weiterer deutlicher Wachstumsbeitrag resultiert mit 4,1 % aus den Bauinvestitionen. Der Außenbeitrag hingegen hat nur einen geringen Effekt auf das Wachstum des BIP.

 

In Bezug auf Europa stellt Herr Prof. Feld dar, dass sich die wirtschaftliche Situation erholen wird, aber Frankreich und Italien noch schwächeln. Weiterhin wird für 2014 in Deutschland Preisstabilität vorhergesagt mit einer Inflationsrate von 1,9 %.

Zur Arbeitslosenzahl erläutert Herr Prof. Feld, dass diese bei unter 3 Mio. Personen und einer Arbeitslosenquote von 6,8 % stagniert. Die Zahl setzt sich zusammen aus 3-4 Prozentpunkten natürlicher Arbeitslosigkeit, 1-1,5 Prozentpunkten chronischer Langzeitarbeitslosigkeit und 1,3 – 1,8 Prozentpunkten konjunktureller Arbeitslosigkeit. In einzelnen Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg kann man von Vollbeschäftigung sprechen. Zur Senkung der chronischen Langzeitarbeitslosigkeit müssen zielgenaue Fördermaßnahmen eingesetzt werden.

Die Ausführungen zeigen, dass Deutschland gut aufgestellt ist, wenn man das magische Viereck der Wirtschaftspolitik aus Wirtschaftswachstum, Preisniveaustabilität, Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht betrachtet.

Zu der Wirtschaftspolitik der großen Koalition merkt Herr Prof. Feld an, dass sinnvolle Reformen der Vergangenheit zurückgedreht werden.

Zum Thema Mindestlohn erläutert Herr Prof. Feld, dass der deutsche Arbeitsmarkt in der Vergangenheit seine Aufnahmefähigkeit unter Beweis gestellt hat und dass es gelungen ist, Frauen, Zuwanderer und ältere Arbeitnehmer erfolgreich zu integrieren. Das Problem sei gewesen, dass sich im unteren Lohnbereich z.B. aufgrund niedriger Qualifikationen eine Sockelarbeitslosigkeit gebildet hatte. Durch die Arbeitsmarktreformen und die Flexibilisierung im unteren Lohbereich sei es gelungen, diesen Sockel zu durchschlagen. Selbst die große Rezession machte sich auf dem Arbeitsmarkt kaum bemerkbar.

Die Kritik, dass die Arbeitsmarktreform zu einer sozialen Schieflage und „sozialen Kälte“ geführt hat, lässt sich durch die Zahlen nicht bestätigen. Der Gini-Koeffizient als Maß der Verteilung des Einkommens hat sich in Deutschland seit der Wiedervereinigung nur geringfügig erhöht. Auch die oftmals kritisierten Aufstocker machen nur 1 % der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten aus. Die Umverteilung des Staates hat über die Jahre ebenfalls nicht abgenommen, was zeigt, dass der Wohlfahrtsstaat funktioniert.

Der Mindestlohn macht die erreichte Lohnflexibilität wieder zunichte und wird dazu führen, dass im Dienstleistungsbereich viele Mitarbeiter entlassen werden bzw. in die Schwarzarbeit abwandern. Insbesondere in Ostdeutschland können bis zu 25 % der Beschäftigten davon betroffen sein.

Weiterhin muss die Frage diskutiert werden, wie der Mindestlohn in das duale Ausbildungssystem eingepasst werden soll, da die Gefahr besteht, dass Unternehmen dann nicht mehr ausbilden bzw. die Jugendlichen ohne Ausbildung direkt in den Mindestlohn wollen.

Zur Rentenpolitik der großen Koalition bemerkt Herr Prof. Feld, dass er sowohl die Mütterrente als auch die Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren kritisch bewertet. In der Vergangenheit wurde durch die Einführung der Rente mit 67 die Demografiefestigkeit der Renten bis zum Jahr 2030 erzielt. Die Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren kostet 5-6 Milliarden im Jahr und begünstigt vor allem ältere Facharbeiter. Sie kann dazu führen, dass Unternehmen wieder verstärkt Frühverrentungsschema anwenden in Zeiten, in denen sich bereits ein Fachkräftemangel abzeichnet. Durch die Mütterrente entstehen ebenfalls jährliche Zusatzkosten in Höhe von 6,7 Milliarden Euro. Außerdem hat die Mütterrente für Mütter, deren Kinder nach 1992 geboren sind, das Ziel einer Erhöhung der Geburtenrate nicht erfüllt. Dies kann ihre Ausdehnung nach vorne nicht erreichen.

Zum Thema Staatsverschuldung führt Herr Prof. Feld aus, dass die Schuldenstandsquoten in Deutschland in Friedenszeiten noch nie so hoch waren wie zum jetzigen Zeitpunkt. Allerdings wird Deutschland weltweit als einer der besten Schuldner angesehen und zahlt die niedrigsten Zinsen. Die hohe Verschuldung resultiert daraus, dass in guten Zeiten nicht konsolidiert und keine Überschüsse gebildet wurden. Aktuell wird zwar die beschlossene Schuldenbremse vom Bund voll verfüllt, was aber einigen Sonderfaktoren geschuldet ist: Die gute Beschäftigungsentwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die Steuereinnahmen befinden sich auf einem Allzeithoch, das extrem niedrige Zinsniveau ermöglicht Einsparungen bei den Zinsausgaben in Höhe von 20 Mrd. Euro, ein demografisches Zwischenhoch begünstigt die Landeshaushalte und die Sozialversicherung. Auf der Ausgabenseite lässt sich hingegen  feststellen, dass die Subventionen und Personalkosten weiter steigen. Eine echte Haushaltskonsolidierung sieht anders aus.

In Bezug auf den Konsolidierungsbedarf der Landesfinanzen und Kommunen lässt sich konstatieren, dass im Saarland und in Bremen die Konsolidierungserfordernisse weiter gewachsen sind und die beiden Länder beim Einhalten der Schuldenbremse nicht gut dastehen. An das Land Bremen wurde bereits eine Warnung des Stabilitätsrates ausgesprochen. Das Land Berlin hingegen macht gute Fortschritte bei der Konsolidierung seiner Finanzen.

Zum Thema Europa erläutert Herr Prof. Feld, dass sich die Lage Europas insgesamt verbessert hat und die Finanzmarktsituation ruhiger geworden ist. In Spanien und Irland wurden deutliche Fortschritte bei den Strukturreformen erzielt, wodurch sich die Wettbewerbssituation dieser Länder verbessert hat. In Italien und Frankreich gibt es allerdings weiterhin Probleme bei den Strukturreformen. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in allen Ländern kommt voran.

  1. Fragen:

Ein Teilnehmer erkundigt sich, wie lange die Zinsen weiterhin auf so niedrigem Niveau bleiben.

Herr Prof. Feld antwortet, dass dazu keine Prognose möglich sei. Der Leitzins bestimme nicht zwingend die langfristigen Zinsen. Weiterhin erkundigt sich der Teilnehmer, was Herr Prof. Feld zu der hedonischen Berechnung der Inflation sagt. Der Referent erwidert, dass er diese Methode für gut hält, da sie Qualitätsfortschritte des Warenkorbs stärker berücksichtigt.

Ein Teilnehmer fragt, wie Herr Prof. Feld den außenwirtschaftlichen Bereich des Magischen Vierecks sieht, da dieser in seinem Vortrag nicht zur Sprache kam. Herr Prof. Feld antwortet, dass Leistungsbilanzungleichgewichte bei flexiblen Wechselkursen kein Problem darstellen. Durch die Strukturreformen der Partnerländer in der Währungsunion werden zunehmend Ungleichgewichte abgebaut und die Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder wächst wieder. Das Denken in Leistungsbilanzgleichgewichten sei sehr keynesianisch. Der häufig aus bestehenden Leistungsbilanzungleichgewichten gezogene Schluss, eine zu geringe Inlandsnachfrage durch Lohnerhöhungen anzukurbeln, sei jedoch in dieser Einfachheit nicht zulässig. Man könne vielmehr hinterfragen, warum die Privatinvestitionen in Deutschland so niedrig sind und die Investitionsanreize fehlen.

Ein Zuhörer erkundigt sich nach der ordnungspolitischen Positionierung des Referenten in Bezug auf die europäische Bankenunion. Herr Prof. Feld antwortet, dass die Bankenunion eine offene Flanke des Lissabonner Vertrages schließt. Die Erhöhung der Eigenkapitalquote soll sicherstellen, dass Banken Umschuldungen verkraften.

In Bezug auf die Länderfinanzen erkundigt sich der Zuhörer, was mit der Eigenständigkeit eines Landes passiert, wenn keine Konsolidierungshilfen mehr gezahlt werden. Der Referent erläutert, dass die Eigenständigkeit eines Landes so schnell nicht in Frage gestellt wird. Ein erster Schritt könnte bei einem Verstoß gegen die Schuldenbremse allenfalls sein, einen Sparkommissar in das betreffende Land zu entsenden.

Ein Teilnehmer fragt, warum der private Konsum in Deutschland nicht stärker ausgeprägt ist.

Herr Prof. Feld antwortet, dass dies eine Besonderheit der deutschen Wirtschaft sei und vergleicht den privaten Konsum mit einem Tanker, der sich nicht schnell abbremsen oder beschleunigen lässt. Weiterhin erkundigt sich der Zuhörer, ob ein niedriges Zinsniveau den Druck auf die krisengeschüttelten Länder senkt. Der Referent führt aus, dass durch niedrige Zinsen die Gefahr besteht, dass Konsolidierungsanstrengungen unterbleiben. Die Disziplinierungswirkung der Finanzmärkte nimmt ab.

Ein Zuhörer erkundigt sich, wie man die Botschaft des Vortrages in die Köpfe der Politiker bekommen kann. Der Referent erwidert, dass man es als Mahner in guten und ruhigen Zeiten schwer hat.

Die Bilder zu dieser Veranstaltung sehen Sie hier und das Video können Sie hier ansehen.